Im sechsten Teil des Berichtes hat unser Autor massiven Stress mit einem wütenden Korsen und kann nur dank des innewohnenden Narren das Schlimmste verhindern. Doch entschädigt eine Wanderung entlang des Fangu auf dem tra Mare e Monti sowie ein schöner Stellplatz bei Caspio am Meer.
Seit einer Woche verbringe ich meine Wachphase mehr im Auto als auf meinen eigenen Beinen und meine Begleiterin stimmt zu, Sightseeing durch geplantes Wandern zu ersetzen. Allerdings gehen unsere Wasservorräte zur Neige. Also fahren wir erst einmal nach Galeria, auf der Suche nach einem Brunnen. Am Ortseingang halten wir uns links, dann eine Weile geradeaus, bis links „Gite d’Etappe“ ausgewiesen ist. Wir biegen ein und folgen der Straße bis zu diesem Etappenpunkt. Sieht nach einem Campingplatz aus, was mich verunsichert. L’étape marine, privée. „An einer Gite kannst du immer Wasser holen“, beruhigt die Chefin, als sie mich losschickt. „Außerdem ist Wasser nie ein Problem.“
Ich zockle los mit mit leeren Flaschen und dem Wassersack. Anfangs fühle ich mich desorientiert. Ein Mann gärtnert beim vorgelagerten Haus. Ob ich ihn fragen soll? Doch als ich näher komme, dreht er sich um und kümmert sich um den Boden. Dann sehe ich das Hinweisschild für Wasser. Ich gehe hin. Eine junge Frau spült. Ob das Wasser trinkbar wäre, frage ich sie, und ob ich etwas holen könne? Sie bejaht. Ich fülle den kleinen Wassersack und bin gerade bei der zweiten Flasche, als hinter mir eine laute Stimme ertönt.
Ein großer Typ baut sich vor mir auf und schimpft laut Das hier wäre Privateigentum, wie ich dazu käme, mich am Wasser zu bedienen? Ich entschuldige mich. Doch daraufhin legt er erst richtig los. Eine Frau habe mir gesagt, an einer Gite d’Etappe könne man einfach Wasser nachfüllen, versuche ich das Missverständnis noch einmal zu erklären. Er verhöhnt mich nur noch mehr und schreit mit rotem Gesicht weiter.
Ich stehe da wie ein Depp. Es gäbe jetzt verschiedene Arten zu reagieren. Soll ich die Affenmännchen-Variante wählen und zurückbrüllen? Oder gleich mein Knie in seine Weichteile setzen, damit er das Luftholen nicht vergisst? Besser nicht, das könnte ausarten und Blutrache wird auf Korsika vielleicht immer noch praktiziert. Er hat die Fäuste bereits oben und ich spüre seine Lust zuzuschlagen. Oder soll ich vielleicht mit großer Geste die Flasche wieder leeren: „Behalt doch dein blödes Wasser“?
Ich merke, dass er das am liebsten selber tun würde. Nein, wir brauchen das Wasser dringend. Meine Gedanken rasen. Ich will hier nur noch lebend raus. Als er mich weiter bombadiert, beschließe ich, auf der Stelle die verbliebenen Reste meines Schulfranzösisch zu vergessen. Ich bin Stan Laurel und nur noch doof: „Je ne comprends pas“. Sammle mein Zeug auf und gehe Richtung Bus. Er schreiend nebenher. Nur raus hier. Wenn ein Korse wütend ist, dann scheinbar richtig. Noch einmal bremst er mich und ich sehe ihm genau in die Augen. Alles weiß. Kein Schwarz, mittendrin ganz klein eine türkisfarbene Iris. Beeindruckend.
Rein in den Bus und nichts wie weg. Erst danach lese ich in einem Reiseführer, dass auch andere schlechte Erfahrungen in Galeria gemacht haben: „Wenn man außerhalb der Saison an dem für Wohnmobile vorgesehenen […] Platz am Ortseingang campiert, dann fliegen auch schon mal Steine auf die Autos der Unkundigen“ (Willi und Kerstin Hausmann: Wandern durch Korsika, CoCon-Verlag Hanau, 2. Aufl., oJ, S. 143).
Eine Familie aus Halle berichtet uns später am Tag, dass sie einmal drei Tage an diesem Platz gestanden hätten. Am letzten Tag kam ein Mann, besoffen und unfreundlich, und kassierte von jedem Camper 15 Euro für die letzte Nacht. 15? Ja, eine Nacht würde 15 Euro kosten, die Eins vor der Fünf auf dem Hinweisschild hätte jemand unkenntlich gemacht. Ein stolzer Preis für einen Stellplatz ohne jedes weitere Angebot wie Wasser, Toilette etc. Ich beschließe, um Galeria künftig einen Bogen zu machen.
Wir suchen jedenfalls den Einstieg zum Mare di Monti. Doch der Weg ist versperrt und mit Kette gesichert. Wir vergleichen mit dem alten Wanderführer. Kein Zweifel, wir sind richtig. Ob sich nach 20 Jahren etwas geändert hat? Tatsächlich, das wohl aktuellere Buch der Eheleute Hausmann zeigt, dass der Einstieg verlegt wurde.
Wir fahren bis u Fangu und laufen zu Fuß die D81 hoch. Die angeblichen 1,5 Kilometer fühlen sich deutlich mehr an. Bin ich 1000 Kilometer ins Wandererparadies gereist, um jetzt an einer Straße entlang zu laufen? Da hätten wir gleich weiter oben parken und eine längere Strecke als bis zur anvisierten Hauberge an der Gite marschieren können.
Endlich sind wir auf einem Wanderweg. Die Brücke über den Fangu ist malerisch und die Gumpen locken angesichts der brutalen Hitze. Doch wir beherrschen uns, bis wir eine richtig nette kleine Badebucht finden. Dort treffen wir die Familie aus Halle wieder. Es ist herrlich, endlich in Süßwasser zu schwimmen. Mir werden Taucherbrille und Schnorchel angeboten und ich bin nach dem heutigen Stress überrascht über so viel Freundlichkeit.
Es ist wundervoll zu schnorcheln, den kiesigen Grund des Flusses zu betrachten, der von welsähnlichen Fischlein abgegrast wird. An der Stromschnelle spiele ich Verstecken mit einer Forelle und betrachte den wilden Tanz der Luftblasen. Als Wildwasser-Paddler sah ich solche Stellen nur von oben oder hatte nach Kenteraktionen keine Muße. Als wir wieder trocken sind, geht es weiter zur Gite von Tuvarelli. Leider hat die Küche schon geschlossen, erst ab 18 Uhr gibt es wieder etwas.
Wir laufen direkt am Fangu entlang über Pfade und Felsen, bis zu einer kleinen, schattigen Bucht auf der anderen Seite. Beim Tauchen bin ich wieder einmal begeistert von den Farben der Steine. Jeder ganz in einem einzigen, intensiven Ton. Ein Teil der Rottöne hat es mir besonders angetan, vor allem ein erdiges Orange. Ab und an stapfen deutsche Urlauber und Franzosen vorbei. In einem angrenzenden Becken erholt sich die korsische Bedienung von ihrem Job.
Als wir von diesem Stück des Tra mare e Monti wieder zurück sind, geht es über die B81 Richtung Porto. Am sechsten Tag verlassen wir damit Haute Corse und betreten Corse-du-Sud, das Departement 2A. In Portmello fahren wir hinunter nach Caspio am Meer. Es gibt direkt am Meer nichts anderes als zwei Restaurants, Punta Rossa und U Caspiu, wo bereits ein Wohnmobil aus Paderborn steht. Ein Blick auf die Speisekarte lässt mir das Wasser im Mund zusammen laufen, aber die Preise im U Caspiu sind leider nicht von schlechten Eltern. Dann also doch wieder Brot & Rotwein…
23. September 2008 um 15:25
eine etwas andere erfahrung bezüglich galeria!
letzte woche wanderte ich mit meiner schulklasse auch auf dem mare e monti nord. diese wanderung sollte unsere abschlussfahrt sein. allerding folgten wir dem weg nur ein kleines stück bis girolatta, wobei ir unter anderem halt in galeria in der gite l’etape marine machten. dies ist ein campingplatz, der sich etwas abseits befindet, dafür aber umso schöner ist. denn ich kann deiner meinung „nie wieder galeria“ nicht zustimmen. vielleicht hat sich bisher einfach einiges geändert, jedoch war ich sehr begeistert von dem campingplatz dort und die menschen in diesem kleinen örtchen waren äußerst nett. es war einer der schönsten orte die wir auf unserer etwas anderen einwöchigen korsikareise besucht haben. ich´selbst bin sehr begeistert von dieser einzigartigen insel korsika und kann dir nur empfehlen: versuch es nochmal.
ich möchte dich keinesfalls kritisieren, kann dir diesen ort allerdings nur nochmal empfehlen.
habe allerdings noch eine frage: warum musstet ihr euer wasser an einer gite auffüllen und habt nichts im einkaufsladen im ort gekauft??
23. September 2008 um 16:17
Liebe Carina,
freut mich, dass ihr positive Erfahrungen gemacht habt. Ein Teil des Problems in Galeria resultiert aus den Aversionen der Menschen gegen Bus-Camper, ein Teil aus meiner eigener Dummheit in jenem Moment. Da bei euch beides nicht vorgekommen ist, hattet ihr die Chance auf eine andere Begegnung.
Zum Auffüllen: Wir mussten u.a. auch einen Wassersack auffüllen, da wir ja eher selten Campingplätze benutzten, sondern meist abseits in der Natur (zumindest mit Straßenanschluss) hausten. Man muss also spülen, waschen etc. Und das trinkbare Wasser in Korsika, das direkt aus Bergleitungen stammt, fanden wir richtig gut. Frisch aus der Quelle ist einfach lecker. Aber in Galeria fanden wir keine der üblichen Quellen, die es oft irgendwo frei verfügbar gibt.