Montag, 12.August: Vom Zillertal zum Gerlos-Paß
Die morgendliche Alpensonne lacht auf mich herunter, als ich den hübschen Radweg entlang der Ziller weiter ins breite Tal reinbummel. Das ist jetzt Genußradeln pur, wie am Main halt, ohne Steigung, mit einem blubbernden Flüßchen links nebenan und rechts mit Wiesen, Kuhweiden, Feldern und ab und zu einem schön hergerichteten alten Bauernhaus mit den obligatorischen Geranien vor jedem Fenster. Für die Tret-Müden gibt es eine parallel laufende Schmalspurbahn.
In der Ferne blinken Schneegipfel, aber die sind nicht mein Ziel: vorher bieg ich bei Zell am Ziller nach Osten ab, um über den Gerlos-Paß die Krimml-Wasserfälle zu erreichen. Dazu steigt’s erst mal ganz gut an. Das Zillertal, hübsch, aber auch recht touristisch, verabschiedet sich mit einer hübschen Aussicht. Jetzt, in der Mittagshitz, komm ich ganz schön ins Schnaufen, bei steter Steigung von rund 10% und einem nervig vorbeirauschenden Auto- und LKW-Verkehr. Dafür ist die Straße gut ausgebaut.
Von einem Pinkel- und Himbeerpflück-Stopp abgesehen kurbel ich bis zum Wintersportort Gerlos-Ort durch, halt mich dort aber nicht lang auf und ächze weiter bergauf. Neben der Straße faulenzen ein paar Kühe und geben sich genußvoll der erfüllenden Beschäftigung des Wiederkäuens hin. Es scheint ihnen hier oben aber auch zu schmecken, kein Wunder bei den vielen leckeren Bergkräutern und saftigen Wiesen. Kein Zaun trennt sie von der Straße, aber das stört sie nicht, sie wechseln einfach nach Lust und Laune mal auf die andere Seite, wie man an Kuhfladenschmuck auf dem Asphalt unschwer erkennen kann.
Brotzeit am Gerlos-Paß in 1600 m Höhe. So ein richtiges „Paß-Feeling“ kommt allerdings doch nicht auf, die breite Straße nimmt ihm da etwas das Image einers Gebirgspasses. Von hier aus, nach Osten, öffnet sich das Pinzgau, ein langes hübsches Tal, flankiert von den Kitzbühler-Alpen im Norden und dem Großvenediger-Massiv im Süden und durchzogen von der Salzach, die hier ihren Ursprung hat und sich des Tauernradwegs erfreut, der hier beginnt und in Salzburg endet. Eine ländliche Region , auch mit Fremdenverkehr, aber etwas uriger als das Zillertal. Da will ich hin.
Und dazu nehm ich die Nebenstrecke. Die ist sausteil und ganz schön kurvig, aber sie führt bergab *grins*. Durch Wald und Bergwiesen, vorbei an einer tollen Schlucht mit senkrechten Felswänden und begleitet von bimmelnden Ziegenglöckchen. Und immer wieder diese aufregende Aussicht ins Pinzgau-Tal hinein. Toll! Ich mach öfters einen Stopp, weil’s einfach zu schad ist, die Straße nur so hinunterzurasen. Man muß einfach mal anhalten und gucken und das Ganze aufnehmen.
Ein Donner erinnert mich daran, daß von Westen her ein Gewitter im Anmarsch ist. Jetzt aber schnell weiter.
Zu spät. Ruckzug setzt ein heftiger Regen ein, vor dem ich mich in eine winzige Kapelle rette. In dieser befindet sich ein Marienbild und darunter ein gluckerndes Quellbrünnchen. Wie praktisch! Dann kann ich doch gleich mein Wasser nachfüllen.
Das Gewitter zieht bald ab und hinterläßt eine frische klare Luft und einen Traum von einem Regenbogen, der sich vom Tal aus bis in die Berge hinein spannt. Welche Farben, was für ein Leuchten! Da stehst du draußen vor der kleinen Kapelle, kommst aus dem Staunen nicht mehr raus und freust dich einfach, daß du sowas Prächtiges zu sehen kriegst.
Am Campingplatz von Wald im Pinzgau, unten im Tal, stell ich mein Etablissment wieder mal auf das am wenigsten naß erscheinende Areal auf. Kocher angeworfen, und schon bald brodelt eine Packung 69-Cent-Asia-Nudeln im Topf. Ist zwar Fast-Food, wiegt aber so gut wie nix und hat Kohlehydrate, die man bei so ner Tour einfach braucht.
Nachts wach ich mal auf, weils unter dem Vorzelt raschelt. Ratten? Ich knips die Stirnlampe an – ein Igel macht sich über meinen Abfallbeutel her, den ich unter dem Vorzelt hab liegengelassen. Na ja, Kleiner, mehr als Plastikabfall wirst du da drin nicht finden.
Dienstag, 13.August: Die Krimml-Wasserfälle
Pausentag, weil ich mir für die Wasserfälle Zeit nehmen mag. Die sind nur 6 km leicht bergauf entfernt, eine Spaziertour also.
Die Krimml-Wasserfälle. Mit 380 m die höchsten Europas. Donnernde Wassermassen stürzen sich auf dunkles Felsgestein, explodieren lautstark in einer tosenden Gischt, eine Kraft, eine Wucht, die einen ehrfürchtig staunen läßt. Wasserstaubfahnen steigen hoch wie Nebelschwaden, Milliarden von Tröpfchen schwirren in der Luft. Hier kann ich nicht so einfach durchlaufen, hier muß ich immer wieder stehen bleiben und diese Kraft auf mich wirken lassen. Welche ungebändigte Wildheit!
Ich steig an der Seite bis zur Oberseite hoch, wo die Fälle beginnen und der Weg weiterführt in das langes Bergtal der Krimmler Ache mit Blick auf ein paar Dreitausender. Wär ne schöne Bergtour, denk ich mir, während ich mir auf einer Alm die beste Milch seit langem schmecken lasse. Mei, is dia guat!
Ein kalter Wind setzt ein, gefolgt von einem langen Regen. Ich steig wieder den Weg durch Fichten- und Zirbenwald ab, vorbei ein dicht bemoosten Felsfiguren, und laß mich noch einmal von dem imposanten Schauspiel der Wasserfälle überwältigen. Daß diese natürlich Tourismusmagnet Nr.1 hier in der Region sind, versteht sich von selbst. So sieht man hier sämtliche Nationalitäten herumspazieren, von Europäern über Araber zu Asianten und Afrikanern, die sich vor den herabstürzenden Wassermassen ablichten lassen. The world comes together at the Krimml-falls…
Der Regen hat sich für die Version „permanent“ entschieden, so komm ich batschnaß wieder am Campingplatz an. Da freut man sich doch auf ein Bier in der dazugehörigen Wirtschaft! Der Pausentag tat mir auch ganz gut. Die Tage seit Tourbeginn waren mit so vielen Eindrücken gefüllt, daß man doch irgendwann mal Zeit und Luft zum Nachwirken-Lassen und Verdauen braucht. Außerdem mußten eh ein paar Stinke-Klamotten mal gewaschen werden.
Mittwoch, 14.August: Der Tauernradweg
Ich hab heut mal die Zeit gestoppt. 2 Stunden brauchte ich vom Aufstehen bis zum Losfahren. Hört sich lange an, aber erstens bin ich allein unterwegs und muß alles selber machen, und zweitens dauert’s eine ganze Weile, bis das feuchtnasse Zelt – egal ob vom Regen oder vom Morgentau – halbwegs abgewischt ist.
Den heutigen Tag verbring ich auf dem Tauernradweg, der mal der schnell vorbeirauschenden Salzach folgt und mal zickzack durch’s „Inland“ führt, was ich aber auch ganz nett finde – so bekommt man mehr zu sehen. Wiesen, Felder, Viehweiden, Dörfer und verstreute Bauernhöfe prägen das Pinzgau in diesem Teil. Die Berggipfel halten sich in Wolken gehüllt, aber es regnet nicht. Grad angehnehm zum Radeln.
Aufregende Sehenswürdigkeiten finden sich keine, aber das find ich grad irgendwie entspannend. So hab ich genügend Zeit, um die Landschaft und die schmucken Dörfle mit ihren Lüftl-Malerei-Häusern, ihren Brünnchen und die Kirchen mit den typisch spitzen Türmen zu genießen. Ganz besonders gefiel mir die Kirche von Niedersill, die in ihrem Innern durch ihre hellen, leichten Farben eine angenehm heitere Atmosphäre schafft. Was mir an den Friedhöfen hier auffällt, sind vielen schmuckvollen schmiedeeisernen Kreuze und der Umstand, daß auf den Grabsteinen der Verstorbenen Fotos von ihnen angebracht sind. Find ich irgendwie schön.
Südlich an Zell am See vorbei erreich ich nach einem Futterkauf-Stopp schließlich Fusch am Fuß der Großglockner-Hochalpenstraße. Die ist morgen dran. Es nieselt, als ich in den Schlafsack reinkuschle…