Achtung – dieser Bericht wurde in Slowenien geschrieben, d.h. auf den Tastaturen hier gibt es scharfes S nur mit komplizierter Eingabe, drum verwend ich hier der Einfachheit nur ss; die ä, ö und ü krieg ich mit etwas Fingerverbiegerei hier grad noch so hin. Es gibt hier auch kein „Kopieren“ und „Einfügen“ – das heisst dann „kopiraj“ bzw. „prilepi“. Damit ihr versteht, unter welch unsagbar schwierigen Bedingungen ich hier für euch arbeite 😉
Donnerstag, 15.August: die Grossglockner-Hochalpenstrasse
So, jetzt isses soweit, die erste grosse Passherausforderung, die Grossglockner-Hochalpenstrasse, ist fällig. Sie zieht sich von 800 m rauf auf 2500 m in einer Länge von 26 km, ist aber ganz gut ausgebaut und trotz der hohen Mautgebühr von 33,- pro Kfz auch sehr beliebt…
Um also die Hauptverkehrszeit zu vermeiden, heisst es für mich früh aufstehen, nämlich um 6 Uhr. Wegen dem Regen von letzter Nacht ist das Zelt noch patschnass, von der Kondensfeuchtigkeit auch noch von innen, sodass ich’s notdürftig abwische und grad in dem feuchten Zustand so einpacke. Net grad guat.
So radel ich auf „Kamasutra“ in den kühlen und zum Glück trockenen Morgen hinein, die Sonne steckt noch im Halbschlaf hinter den Bergen. Der erste Anstieg lässt nicht lange auf sich warten und produziert bei mir die ersten Schnaufgeräusche. Nach einem etwas eintönigen Waldstück öffnet sich langsam der Blick aufs Tal mit dem sich dahinschlängelndem Fuscher-Bach, die Wald- und Wiesenhänge und die ansteigende Bergkette. Wasserfälle stürzen in weissen Kaskaden auf dunkles Gestein, und über allem wölbt sich ein heller Morgenhimmel mit ein paar weissen Wölkchen. Eigentlich schön.
Wenn der Verkehr nicht wäre. Ab 9 füllt sich die Passstrasse zunehmend mit Autos, Motorrädern und Bussen. Und es werden immer mehr, je weiter der Vormittag voranschreitet. Fahrzeuge aus aller Herren Nationen, von Mitteleuropa über Tschechien, Polen, Ungarn und Italien bis Frankreich, Grossbritannien, Irland, Spanien, ja sogar Andorra (!) ist mit dabei! Es sind so viele, dass ich voll konzentriert fahren muss, denn mit meinen 4-5 km/h ist es gar nicht so einfach, das Vorderrad in gerader Linie zu halten, während alles Motorgetriebene mit 50 – 70 km/h vorbeirauscht… Daher hab ich weniger Blick für die Landschaft, als sie es verdient hätte, im Gegenteil: solche verkehrsreiche Abschnitte bezeichne ich ab jetzt als „Asphaltstudium“, weil du da eh meistens auf den Strassenboden schaust.
Wenigstens machen mir die vielen Rennradler Mut, die mich überholen. Sie grüssen freundlich, rufen „Reschpekt“ und halten den Daumen nach oben. Anscheinend gurkt hier nicht jeden Tag einer mit seinem vollem Packdrahtesel den Berg hinauf.
Ich halt zwischendrin auch immer wieder mal an, weil man will ja auch was von der Landschaft sehen. Der erste Dreitausender, der Fuscherkarkopf, ist mir gnädig gestimmt, entledigt sich seines Wolkenhaupts und zeigt mir seinen schwarzen Felsgipfel. Die Aussichten auf Fuschertal und Berge und Steilhänge sind schon grandios und lohnen jeden Stopp.
Ja, wenn der bescheuerte Verkehr nicht wär. Von himmlischer Bergesruhe ist hier oben nix zu spüren. PKW und Wohnmobile röhren eines nach dem andern bergauf, Busse quälen sich um die Kurven, am lautesten aber sind die Motorräder (sorry Jungs, es is so), und von denen am schlimmsten die Pulks, die sich einen Spass daraus machen, voll aufzudrehen auf und waghalsig alles zu überholen, was irgendwie geht. Als unterstes Glied in der Bergauffahrtkette hab ich natürlich die A…-Karte gezogen, dafür bekomm ich mit meinen lahmen 5 km/h aber auch die Kreuzchen und Kerzen am Wegrand mit…
An den Serpentinenkurven werden die Höhenmeter angezeigt – froh bin ich, als ich endlich die 2000er-Marke erreiche. Etwas flügellahm keuch ich weiter nach oben, meine Pausen werden häufiger, aber das verbind ich halt mit einem Rundumblick auf die grandiose Berglandschaft hier. Während hinter mir der Verkehr vorbeitöst. Mein Gott!
Endlich ist das Fuscher Törl erreicht, auf 2.428 m, einem markanten geografischen Höhenpunkt mit Gastronomie, Aussichtsplattformen, Parkplätzen. Ab jetzt geht’s vor dem eigentlichen Pass nochmal eine Senke runter, aber der Verkehr reduziert sich etwas, weil viele einfach hier hochfahren, das obligatorische Foto machen, einkehren und danach wieder ins Pinzgau runterbrausen; übrigens auch die Rennradler. Die Parkplätze sind vollgestopft mit Fahrzeugen, die in der Sonne blinken, Staus bilden sich davor, es riecht nach Abgasen statt nach frischer Bergluft. So was hab ich noch auf keinem Berg gesehen…
Drum fällt meine Brotzeit nicht so lange aus. Bald schwing (na ja, „schwing“ ist relativ..) ich mich wieder auf „Kamasutra“ und saus die Senke, einem schönen Bergkessel mit burgenähnlichen Felswänden, hinunter, um danach die letzten 300 Höhenmeter bis zum Hochtor, dem Pass, hinaufzutreten.
Und irgendwann bin ich dann oben. Was für ein Gefühl! Ich hab’s gschafft! 2.504 m, ooooben!!
Ich stell das Fahrrad ab, stell mich an einen Aussichtspunkt und guck einfach hinunter, in die Tundra-Landschaft, ins Salzach-Tal weit unten, auf die Gebirge dahinter. Und gfreu mi einfach. Denk net viel nach, sondern gfreu mi einfach.
Das Hochtor ist keine Passhöhe an sich, sondern ein kurzer Tunnel, der auf die andere Seite führt. Trotzdem merkwürdig, dass es hier kein Passschild gibt, nur ein Reklamehinweis „300 m zum Shop“… Des Rätsels Lösung: beides findet sich auf der anderen Tunnelseite. Also gibt’s doch noch ein „echtes“ Passfoto 🙂
Resümee: die Grossglockner-Hochalpenstrasse ist ein mittelschwerer Pass, der sich etwas hinzieht, aber mit etwas Übung durchaus im Machbaren liegt. Das eigentlich Kräftezehrende war der kontinuierliche, nervige, viele Verkehr, diese Erfahrung hab ich auch schon bei wesentlich flacheren Pässen machen müssen. Daher hab ich am Abend ins Tagebuch reingeschrieben: Grossglockner nie wieder mit dem Fahrrad!
Ab jetzt rausch ich erst mal ein paar hundert Höhenmeter bergab, um dann die Passstrasse zu verlassen und nach rechts in eine gut ausgebaute Strasse Richtung Grossglockner selbst abzubiegen und nochmal 200 hm bergauf zu kurbeln. Dort steht nämlich das Glocknerhaus des österreichischen Alpenvereins, das einen besonderen und nicht zu bezahlenden Luxus bietet: Abendessen vom Wintergarten aus mit Blick auf ihn daselbst, Seine Majestät dem Grossglockner, dem mächtigen, dem alles überragenden und mit 3.800 m höchsten Berg Österreichs.
Freitag, 16.August: Abfahrt
Toppen kann ich das gestrige Panorama-Abendessen mit meinem Müsli-Frühstück aus einem alten, verbeulten Alu-Teller mit Grossglockner-Blick, in der klaren Morgensonne draussen vor dem Haus. Wow! Was für ein Geschenk!
Da ragt sein Gipfel aus einer scharfkantigen, eh schon hohen und steilen Bergkette auf der anderen Talseite empor, tief unten der eisgrüne Gletschersee. Grossglockner-Massiv. Eine Wucht aus Stein. Majestätisch, monströs, eindrucksvoll, fast schon bombastisch. Hochgebirge pur. Eis und Fels bestimmen das Bild, auf den Hängen, an den Steilwänden, auf den Graten. Im glasklaren Licht eines Sommermorgens im August. Staunen, staunen, und nochmal staunen.
Das kann auch der Rummel 3 km weiter oben an der Franz-Josefs-Höhe nicht verhindern, wo sich hunderte von Autos und Motorrädern eingefunden haben, um dieses Schauspiel zu bewundern. Auch hier hat man eindrucksvolle Blicke, vor allem auf die furchige, grell-weisse bis weissgraue Pasterze, dem Gletscher selbst, und dem schneeweissen Johannisberg dahinter, aus dem das ganze Gletschereis zu stammen scheint. Sehr gut gefällt mir das Info-Zentrums des OeAV zu Grossglockner und dem Hohen-Tauern-Nationalpark, aber ich bin froh, dem Gewusel aus Souveniershops, Cafes und Restaurants bald entfliehen zu können.
So toll die Ausblicke auch hier waren und so sehr die Hochgebirgslandschaft auch hier einen in Bann schlägt: nichts geht über meinen Grossglocknerblick draussen vor dem Glocknerhaus von heute morgen, mit meinem alten, verbeulten Müsli-Alu-Teller in der Hand.
Ab jetzt folgt wirklich nur noch Abfahrt. An gelbgrünen Almwiesen vorbei mit Traumaussichten ins unten liegende Möll-Tal, durch grüne Lärchen- und Fichtenwälder hindurch. Fahrtwind-Rauschen in den Ohren, Geschwindigkeit spüren, aber trotzdem konzentriert und aufmerksam bleiben. Huiiiii!
Kurzer Stopp in Heiligenblut zwecks Klogang, dann saus ich weiter bis ins Möll-Tal hinunter. Die Möll ist ein hübsches, seichtes und klares Flüsschen, das mich für den Rest des Tages begleitet. Ein Radweg führt meist in Ufernähe entlang, vorbei an Wiesen, Wäldchen, Kuhweiden, Kirchlein und Kapellen und proppevollen Himbeersträuchern, die mich immer wieder zu einem Nasch-Stopp verführen. Ich könnt ewig so weiterradeln, mir gfällt der Radweg saugut.
Das Möll-Tal ist eines der vielen Überraschungen, die man unterwegs auf so einer Radtour erlebt – ausser einem Wasserfall und einem ehemaligen Goldgräberdorf gibt’s hier nix Spektakuläres, aber irgendwie hat’s was. Es ist halt einfach „normal“ schön, friedlich und entspannt..
Als ob das noch nicht genug wäre, land ich am Abend meinen bisherigen Glückstreffer, was das Zelten betrifft: „Camping auf dem Bauernhof“. Ohne grossen Schnickschnack, urgemütlich, mit zwei alten Bauernhäusern, Holzscheune, Katzen, einem Hund, Hühnern, Laufenten, einem kleinen Teich, ein Brünnele, Obstbäume und Blumen vor jedem Fenster und mit einer netten Gartenwirtschaft und freundlichen Wirtsleuten. Idylle pur.
Das Zelt steht, die Dusche tut saugut, der Hunger ist gestillt, die Grillen zirpen, die Möll rauscht in der Ferne, und das Bier schmeckt. Was will ich mehr?
Samstag, 17.August: Kärnten und die Drau
Nachts um 4 musst ich mal zum Pinkeln raus, wegen dem Bier… Das Gras war schwerfeucht vom Morgentau, die Grille zirpten immer noch, über mir ein endlos funkelnder Nachthimmel… Schad, dass ich in der Früh um 4 nicht so aufnahmefähig bin :-
Mir fällt’s natürlich schwer, dieses romantische Plätzchen zu verlassen, drum komm ich heut erst spät los. Nach dem Futterkauf und einer Linzer-Schnitte in Winklern „stürm“ ich den Iselsberg-Pass, mit 1.034 m nicht sehr hoch, aber in der Mittagshitz kostet er mir doch somanchen Schweisstropfen. Auf der anderen Seite wartet das Drau-Tal bei Lienz auf mich, aber gleich nach der Passhöhe schält sich ein imposante Bergkette hervor: die Lienzer Dolomiten. Genauso mit Felstürmen und -zinnen bestückt wie die italienischen Dolomiten, aber halt nicht so weitläufig und berühmt.
Ich lass sie rechts liegen und wende mich nach Osten zu, flussabwärts am Drau-Radweg entlang. Grüssgott Kärnten! Grüssgott Drau! Ich roll meist dem schattigen Flussufer entlang, ab und zu mal auch landeinwärts durch kleine Weiler und an einzelnen Bauernhöfen vorbei. Links Bergketten, rechts Bergketten. Bei Oberdrauburg schlag ich wieder Richtung Süd ein: bergauf, den Gailberg-Sattel hoch.
Der ist bald erreicht – aber oben trifft mich schon wieder der Hammer einer herrlichen Aussicht: die Grate der Karnischen Alpen ragen auf der gegenüberliegenden Seite von Ost nach West empor, im herrlichsten Abendlicht. Auch hier muss ich erst mal stehen bleiben. Ein Bänkle am Waldrand mit genau dieser Aussicht verleitet mich nicht nur zur Abendessen-Pause an diesem schönen Plätzle, nein, ich bleib komplett über Nacht hier! Schlafsack gleich hinter dem Waldrand ausgerollt, das Zelt bleibt eingepackt, nach Regen sieht es nicht aus. Und das unter mir liegende Gailtal kann bis morgen warten.
So schlaf ich ein, bei hereinbrechender Nacht, erst von Sternen begleitet und später vom Fast-Vollmond, der auf die Karnischen Berggrate leuchtet. Romantisch, gell? Richtig durchschlafen is aber nich – einmal kreischt ein Vogel, dann dappt ein Hirsch oder ein Reh in der Nähe vorbei, und schliesslich kreischt irgendwo ein Käuzchen. Egal: draussen ist draussen! 🙂
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