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Allgäu – Adria Teil 4: Vom Gailtal zum Wurzenpaß

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Sonntag, 18.August.-

Verpennt blinzel ich in den Morgenhimmel. Jesses, es is scho 9! Gemütlich zieh ich mir wieder ein Panorama-Müsli rein, natürlich mit Blick auf die Karner Bergkette, pack mein Zeugs zusammen und saus runter nach Kötschach im Gailtal.

Dort am Campingplatz herrscht Aufbruchstimmung, weil viele das lange Wochenende mit dem Maria-Himmelfahrt-Feiertag ausgenutzt hatten. So kann ich mir entspannt meinen Zeltplatz raussuchen. Erst mal ne Dusche und danach die Klamotten waschen –  es war alles bitter nötig.

Die Gail ist ein schönes, klares und durchsichtig grünes Flüßchen, das sich von der italienischen Grenze in Ost-West-Richtung bis zu seiner Mündung bei Villach durch ein langes Tal zieht, flankiert von endlosen Bergketten. Weil’s so heiß ist, schmeiß ich bald die Klamotten weg und tauch in die ganz schön frische Strömung ein. War ich vorher etwas schlapp-träge, kehren jetzt sämtliche Lebensgeister wieder zurück. Aaaah! Sie ist so herrlich geil, die Gail!

Um eines vorweg zu nehmen: die Gailtalerin mit den feuerroten Unterröck ist anscheinend eine mystische Legende, ich konnte sie nirgendwo ausfindig machen. Wer wissen will, um was es geht: siehe Wolfgang Ambros „Der Watzmann ruft“.

Da der heutige Tag eh als Pausentag gedacht war, schau ich mir nachmittags das sehr sehenswerte Museum zur Geschichte über die Alpenkämpfe im 1.Weltkrieg an.  Das Museum ist ein Muß. Je weiter ich mich darinnen vorarbeite, desto nachdenklicher und stiller werde ich. Ich bin voll erschüttert, unter welch furchtbaren Bedingungen sich die Leute damals auf steilen Höhen in Schnee und Eis im Stellungskrieg die Köpfe eingeschossen haben. Und wozu?

Das Museum nimmt mich ganz schön mit. In der schönen Ortskirche von Kötschach komm ich wieder zu mir. Setz mich hin und bewunder die Mischung aus neugotischen Formen und orientalischen Linien und laß die angenehme Atmosphäre auf mich wirken, während von draußen die Sonnenstrahlen hereinfluten.

Kötschach-Mauthen Kirche Gailtal Transalp mit dem Fahrrad 2013

Die Pfarrkirche in Kötschach, auch „Gailtaler Dom“ genannt

 

Montag, 19.August.-

Nach einem Vormittag im Internet-Cafe zwecks Berichte-Schreiben radel ich erst um 1 los. Aber die Uhrzeit ist ja an sich nicht so wichtig. Mein Tagesverlauf wird bestimmt vom Wetter, vom Tageslicht und von den vielen Dingen, die es unterwegs zu sehen gibt. Ich muß mich an kein festes Programm halten, kann der Spontaneität viel Freiraum lassen, bin frei in meiner Entscheidung zu Wann und Wohin, und das macht so eine Fahrradreise ja grad so entspannend. Gut, meine Wadel und mein Bobbes sind in letzterem Punkt anderer Meinung…

Gail Gailtal Gailtal-Radweg Kärnten Transalp mit dem Fahrrad 2013

Glasklar und herrlich kühl – sie ist einfach geil, die Gail.

Die Gail gefällt mir von den österreichischen Flüssen bisher am besten. Sie ist nicht tief, ihr gasklares, manchmal grün schimmerndes Wasser strömt über ein Bett aus Kies und Steinen, und oft laden Kiesbänke zum Baden ein. Büsche und Bäume schmücken ihre Ufer, Bänkle laden zum Ausruhen ein. Viel Natur, kaum Verkehr. Genußradeln pur. Der Fluß bekam übrigens schon in den Dreißiger Jahren eine Hochwasserregelung mit Überschwemmungszonen und Schuttbänken – damit waren die Gailtaler unserer Zeit um über 70 Jahre voraus!

So schnurrt „Kamasutra“ den lieben langen Nachmittag an ihren Gestaden entlang.  Am Abend tauchen, von der Sonne beschienen, zum ersten Mal die imposanten, schroffen Felsketten der Julischen Alpen auf. Das ist schon Slowenien…

Julische Alpen am Gailtalradweg, Kärnten, ransalp mit dem Fahrrad 2013

Mein Ziel für übermorgen – die Julischen Alpen, schon vom Gailtal-Radweg aus zu bestaunen

Bis dahin vergeht aber noch ein Tag. Meine Bleibe  für heute ist wieder ein Bauernhof-Campingplatz, 4 km bergauf. Ein Camper aus Ebersbach, seines Zeichens früherer Afrika-Motorrad-Traveller, drückt mir eine Bierdose in die Hand. „Das erste, was man nach dem Zeltaufbau braucht, ist ein Ankunftsbier“, meint er. Ich grins ihn dankbar an. Wir verstehen uns.

In den Schlafsack reingekuschelt, freu mich auf morgen früh, wenn ich die 4 km bergab sause mit Blick auf die Julischen Alpen. Das wird der Hammer!

 

Dienstag, 20.August.-

Nachts tobte ein heftiges Gewitter. Ich mußte sogar mal raus, um die Sturmverspannung nachzuziehen. Ununterbrochen trommelt Der Regen aufs Zeltdach. Bis in den Morgen hinein.

Beim morgendlichen Klogang seh ich das ganze Gailtal in Wolken hängen, der Himmel zeigt sich einheitlich grau. Is nix mit Panorama-Bergab-Rauschen. Rauschen tut heut nur der Regen. Ich mach ein ziemlich langes Gesicht.

Was tun? Erst mal abwarten und aussitzen. Eine Stunde später hat sich nix geändert, und in einer jetzt-tröpfelts-grad-weniger-Phase pack ich halt doch das Zelt zusammen, naß wie es ist. Mist.

Nun, der Gailtal-Radweg, der sich hier durch Nadel- und Laubwald mit Waldwiesen und vielen Farnen windet, ist trotzdem recht nett anzusehen, auch wenn sich weiterhin dicke Regenwolken durch’s Gailtal quetschen. Unterwegs klau ich mal eine Ladung Zwetschgen und stell mich, als es mal besonders prasselt, an einer modernen Kapelle unter mit einem großartigen Maria-mit-Jesuskind-Gemälde. Großartig deswegen, weil die Maria mal keine so frömmelnd keusche Madonna darstellt, sondern eine ganz normale Mutter mit schönen dunklen Haaren und strahlenden Augen, und der Jesus mal wenigstens wie ein echtes Baby aussieht. Beide übrigens ohne Heiligenschein…

Schilder am Wegrand weisen auf Bären hin, aber bevor ich Meister Petz Grüßgott sagen kann, verlaß ich den Gailtal-Radweg nach Süden auf den Wurzenpaß zu, der nach Slowenien hineinführt.

Bärenwarnung,Gailtal-Radweg,Kärnten

Ja, der Wurzenpaß. Das ist der, vor dem ich die ganze Zeit richtig Respekt hab, weit mehr als vor dem Großglockner. Lang ist er nicht mit seinen 6 Kilometern, aber sausausteil. Zur Stärkung wärm ich mich vorher in der Gaststätte „Spendier“ (heißt wirklich so!) mit einer Suppe auf (hat was gekoscht, also nicht nach dem Namen gehen!), obwohl eigentlich Ruhetag war, aber die Wirtsleut waren grad da und hatten Mitleid mit dem tropfnassen Radler. Wia liab!

Der letzte Ort vor dem Paß heißt Tschau (ohne Scheiß!), dann beginnt der Anstieg. Uiuiui! Der ist nicht ohne! Pack ma’s, Kapuze tief ins Gesicht gezogen, noch ein Müsliriegel reingeschoben, und rein in die Pedale. Auf dem Lehrplan steht für eine Weile  „Asphaltstudium“, also Blick nacht unten auf die Straße mit größtmöglicher Regentropfenvermeidung auf der Brille (war aber für d’Katz).

Ich schnaufe ganz gut. Bis jetzt ging’s grad noch so, und wenn die Steigung weiter so bleibt, bin ich… oje: ein Schild für Autos zeigt an „Ersten Gang einlegen“. Dann ein weiteres: „18% Steigung auf 600 m Länge“. Auf 600 m! 50 m gehen ja noch, aber 600!

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Jetzt wird’s happig…

Wurzenpass, Kärnten,Österreich.Radtour

Empfiehlt sich auch für Tourenradler

Ich fahr um die nächste Serpentine, und sag dann ganz laut „Au!“: das sieht jetzt wirklich verdammt steil aus; der Großglockner verblaßt da zur Bobbycar-Strecke. Ich schluck erst mal, aber dann bleibt mir nix anderes übrig. Rauf.

Wurzenpass,Radreise, Kärnten

Der Anstieg beginnt

Schon nach den ersten Metern komm ich in die Heftig-Schnauf-Phase. Ich quäl mich ewig langsam hoch. Wegen der Autos und Motorräder, die hier jede Minute vorbeirauschen, kann ich auch keine Serpentinen-Schlenkerer fahren, sondern muß die Kiste grad halten. Nach 100 m geht mir erst mal die Puste aus.  „Das schaff ich nie ohne Schieben!“, schießt’s mir durch den Kopf. Aber man hat halt so seinen Ehrgeiz. Ich hechle eine Weile am Straßenrand, bis sich mein Atem wieder beruhigt. Weiter!

Diesmal pack ich grad 70 m.  Wieder Stoßatmung. Schieben? Nö, kommt nicht in die Tüte, jetzt erst recht nicht.  Der Regen nervt, die Autos nerven, ich krieg eine Wut. Die mir andererseits wieder Kraft gibt.

Und wieder treten. Die Straße ist schmal und von feucht tropfendem Wald umgeben. Und bleibt weiter steil Ein Auto hupt mir aufmunternd zu. Trotzdem erfolgen die Hechelpausen in immer kürzeren Abständen.

Innen naß, außen naß. Ich fluche. Und wieder volle Kraft in die Pedale. So langsam komme ich an meine Kraftgrenzen. Trotz Energiepülverchen und Müsliriegel. 600 m können ganz schön lang sein.

Zeit verliert ihre Bedeutung. Ich kann nicht genau sagen, wie lang ich für die 600 m gebraucht hab, aber irgendwann reduziert sich die Steigung auf 12%. Ich bin noch etwas ungläubig, aber ich denk, ich hab jetzt das härteste Stück der Reise hinter mich gebracht. Ou Mann! Das war heftig! Ich blicke zurück, und das einzige, was mir einfällt: Herrgott, ist das steil! Kein Triumphgefühl. Nur froh, es geschafft zu haben.

2 km vor der Paßhöhe liegt ein Bunkermuseum, eine Verteidigungsstellung der österreichischen Armee aus der Zeit des Kalten Krieges. Hier mach ich eine verdiente Pause, schau mir versteckten Kasematten, getarnte Schützengräben und Bunker an, die für einen Krieg angelegt wurden, der zum Glück nie kam. Der Museumsleiter mustert mich erstaunt, als ich dort ankomme: „Mit dem vollbepackten Radl do auffi? Bei dem Wetter?“ und schüttelt den Kopf.

Aber noch bin ich nicht oben. Doch nach weiteren zwei Kilometern und einem kurzen 18%-Stück – wirklich nur ein kurzes – erreich ich den Zenit des Wurzenpasses auf 1.077 m und somit auch die Grenze nach Slowenien. Bevor ich das kurze Stück in den nächsten Ort runterradel, kehr ich zu einem Kaffee beim Wurzenwirt an der Grenzstation ein. Da wird grad a zünftige Musi gspielt, eine Kapelle mit Blasmusik und Ziehharmonika sorgt für eine Mords-Gaudi. Die Leut drinnen sind recht spaßig drauf, und so werd ich gleich an einen Tisch gewunken und muß von meiner Tour erzählen, und Witzle werden gmacht und gschunkelt wird, und so bleibt’s nicht nur bei dem Kaffee…

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Jetzt darf ich wieder grinsen

Es ist schon Nacht, als ich die letzten 4 Tageskilometern vom Wurzenwirt nach in Podgoren hinunterfahre. Dort gönn ich mir den Luxus und nehm ein Hotel für eine Nacht. Mit heißer Dusche und einem schönen warmen weichen Kuschelbett. In dem ich aber nicht gscheit schlafen kann, weil ich nur noch die Kombination Isomatte plus Zeltboden gewohnt war…

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Podgoren im letzten Tageslicht

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