Ich bin in Goa. Sitze auf dem Boden unseres Wohnzimmers, direkt vor dem Balkon, während der Ventilator über mir leise seine Kreise zieht. Höre die Rufe der Krähen, die mich in diesen vier Wochen begleiten werden. Endlich da. Und so vieles anders, als ich es mir vorgestellt hatte oder es mir erzählt worden ist.
Gegen elf Uhr starteten wir von Aschaffenburg aus zum Frankfurter Flughafen. Meine Frau Manu, ihr ältester Sohn Niklas und sein Freund Ralf. Sauber auf der A3 durch zum Flughafen Frankfurt. Alles lief perfekt. Einchecken, Gepäckgewicht zusammen 60 kg. Darunter viel Zeug für unsere Gastgeberin Beaula und ihre Tochter Mohini: Bücher, Malzeug, die besten Aschaffenburger Lebkuchen und selbstgebackene Weihnachtsplätzchen.
Durch die Kontrolle. Ralf hatte eine Schere aus der Berufsschule in seinem DayPack vergessen, dazu die Deos der beiden Jungs, unsere Getränkeflaschen. Und tschüss. Nur ich kam mit meinem Hackerzeug problemlos durch, die Festplatten noch vor Reiseantritt mit TrueCrypt verschlüsselt. Gate 47. Wir warten. Einer inneren Eingebung folgend gehe ich nachfragen und erfahre, dass unser Flug verlegt worden ist: Gate 60.
Wieder los. Noch mal durch eine Kontrolle. Alles sauber. Vor uns flucht ein älteres Ehepaar: Sie hatten sich im DutyFree-Bereich Getränke gekauft, die jetzt nicht durch durften. Böses Gemecker. Wir boarden. Sitzen beieinander im Flieger. Dieses spezielle Gefühl beim Abheben. Dann der von mir so geliebte Ausblick von oben auf surreale Landschaften, die im Sonnenschein baden. Der grenzenlose Sommer über den Wolken.
Zwischenlandung in Dubai. Das Schmuckkästchen empfängt uns leuchtend in der Nacht. Die Palme von Dubai. Aussteigen, Bus fahren, wieder eine Kontrolle, dann wieder zurück an Board. Einige Sitze bleiben frei. Die letzten dreieinhalb Stunden Flug. Ausfüllen eines Einreisezettels. Landung. Ein völlig anderer Anblick hier. Die Maschine rollt genau bis vor den Eingang des Airports. Ein paar Männer warten mit einfachen Karren, ein paar Bewaffnete in Uniform. Der ganze HighTech, die ständige Betriebssamkeit anderer Flughäfen fehlen.
Langes Warten vor dem Einreiseterminal. Stempel in die Pässe. Der Beamte checkt uns auf dem Computer durch. Während meine Familie ganz easy durchkommt, schaut er mir ob einer Anzeige auf seinem Monitor plötzlich seltsam in die Augen. Ein kurzer Moment des Zögerns. Dann stempelt er. Ich bin drin.
Beim Abholen des Gepäcks die erste unerwünschte Hilfe. Ich finde meinen Koffer, ein Inder mischt sich ein. Er hat was von Gepäckchef. Ob ich ihm irgendein Dokument zeigen muss, dass dies mein Koffer ist? „Ein Euro?“, fragt er. Ah, diese Masche. Ich lasse ihn stehen. Noch den letzten Kontrollzettel bei einem Uniformierten abgeben, dann dürfen wir raus. Beaula steht bereits dort und winkt.
Zwei Bemos hat sie organisiert, die Fahrer sind gute Freunde. Eine dreiviertel Stunde fahren wir gen Norden nach Baga. Klar, Linksverkehr und brutalstes Kurvenschneiden. Es dämmert. Dann Calangute Wir wohnen in einem kleinen Dorf namens Seunto Vadoo. Ankommen, auspacken, Chai trinken bei Beaula. Ihre Tochter geht zum letzten Schultag für dieses Jahr in der International School, wir zum Strand.
Um uns lauter Hunde. Ein absolutes Phänomen. Alles voller Tiere, wir mittendrin. Die vielen Vogelarten, vor allem die Krähen. Die ruhigen Wildschweine. Doch vor allem die Hunde. Jeder hat hier sein Revier, gehört zu einem Rudel, erklärt uns Beaula. Für manche Hunde sind bestimmte Bereiche tabu, sonst kassieren sie Prügel von anderen Hunden. Wir haben jetzt fünf Hunde ums uns herum, die uns Begleitschutz geben. Beim Toben verfängt sich einer in einem ausgebreiteten und mehrfach gefalteten Fischernetz. Wir brauchen fast eine Viertelstunde, um die junge Hündin wieder zu befreien. Jetzt aber endlich ins Meer.
Wo rote Flaggen stehen, sollen wir nicht ins Wasser. Starke Strömungen, der im letzten Jahr 20 Menschen zum Opfer gefallen sein sollen. Wir gehen zu einer gelb-roten Fahne knapp 50 Meter weiter, wo es erlaubt ist. Ein Jeep der hiesigen Baywatcher steht da, darin kleine braune Männer statt kurviger Blondinen. Aber die habe ich mir ja mitgebracht 🙂 Eintauchen in den Ozean. Sehr salzig. Warm, ein wenig trübe, feiner Sand unter meinen Füßen, keine Pflanzen oder Fische. Zum Schnorcheln gibt es andere Spots, sagt Beaula.
Wir legen uns an die Strandbar eines ihrer Freunde, den Fisherman Shack. Frühstück im Liegen am Ozean, „übelst geil“, wie die Jungs sagen würden. Frischer Orangensaft, indische Omletts mit Toast (ich liebe Koriander) und eine Riesenschüssel frischen Obstsalat. Lecker. Ich genieße die absolute Entschleunigung. Hier gibt es keine Hast. Von irgendwo immer mal Ambient/Techno-Klänge, zehnminütige Soundkollagen, die dann wieder abbrechen. Es wird heiß, der Strand voller.
Wir gehen zurück zu unseren Appartements, leben mitten in diesem Dorf auf Goa. Kein Touri-Ressort, sondern direkt bei den Einheimischen. Und es ist so ruhig hier. Ich hatte mit Lärm gerechnet, ständiger Action. Nichts davon. Einfach nur Leben. Gesprächsfetzen, Kinderlachen, ab und an kurze Phasen der Aktivität an irgendwelchen Häusern, an denen rumgebastelt wird, und schwebend über allem die Krähenrufe.
Wir sind seit mehr als 24 Stunden auf den Beinen, haben tausende von Kilometern und viereinhalb Stunden in der Zeit nach vorn zurückgelegt. Ein paar Stündchen schlafen und regenerieren. Und dann hier sitzen, die Luft von draußen und diesen ersten Bericht schreiben. Ich komme langsam hier an. Goa-Geschwindigkeit. Chill out…