Wo gibt es auf der Welt noch Orte, Landschaften und Gegenden, welche nicht vom Menschen extrem beeinflusst, geprägt und letztendlich zerstört sind? Einer dieser seltenen Orte befindet sich in Südamerika, genauer im Gebiet des beeindruckenden Flusses Amazonas. Die spanischen Eroberer, welche vor vielen Jahrhunderten in dieses geheimnisvolle Land am anderen Ende der Welt gelangten, waren beeindruckt von der Größe des Flusses, vom undurchdringlichen Dschungel, welcher ihn umgibt und von den atemberaubenden Gebirgen.
Terrassenförmig angelegte Felder an den Hängen der Berge, im spanischen Andennes genannt, gaben dem Gebirge seinen Namen Anden. Den Dschungel nannten die Spanier Mordende Dunkelheit. Der Fluss aber behielt seinen indianischen Namen bis heute, Amazonas. Wobei sich hier die Wissenschaftler noch nicht einig sind, ob es sich tatsächlich um den indianischen Namen handelt. In einem indianischen Dialekt existiert das Wort Amassona, was so viel wie Der Zerstörer der Schiffe bedeutet. Eine andere Theorie besagt, dass einer der frühen Entdecker, Francisco de Orellana, am Ufer des Flusses kämpfende Frauen gesehen haben soll und diese mit den griechischen Amazonen verglich. Beide Geschichten tragen etwas geheimnisvolles Wildes in sich.
Geheimnisvoll und wild, wie der Fluss selbst.
Der Amazonas wird von zwei Quellflüssen gebildet. Zum einen ist dies der Fluss Maranon, der 1600 Kilometer lang sein Wasser in den Amazonas transportiert. Zum anderen ist es der 2670 Kilometer lange Fluss Ucayali. Beide entspringen in den peruanischen Anden und ergießen sich im wasserreichsten Fluss der Erde.
Der Amazonas, mit Hilfe seiner Quellflüsse, durchschneidet den Norden Südamerikas von West nach Ost und mündet im südlichen Atlantik. Die Mündung ist keine einzelne Öffnung zum Atlantik. Ein riesiges Mündungsdelta gibt dem Fluss die Möglichkeit auf unterschiedlichsten Wegen ins Meer zu gelangen. Um sich die Wassermassen vorstellen zu können, sollte sich die Zahl der Nebenflüsse des Amazonas einmal vor Augen gehalten werden. Ganze 10.000 Nebenflüsse speisen den gigantischen Wasserlauf.
Ganze 15 Prozent des weltweiten Wasserzuflusses in die Ozeane bewältigt der Amazonas alleine. Etwa 200.000 Kubikmeter Wasser fließen so in jeder Sekunde in den Atlantik.
Nicht nur Wasser alleine. Sage und schreibe 1,2 Millionen Tonnen Sediment wird in einem Jahr vom Fluss mitgenommen. Dadurch erhält der Amazonas auch seine hellbraune Färbung. Die unterschiedlichen Wasserfärbungen der Nebenflüsse geben dem Amazonas von oben aus gesehen ein sehr interessantes Bild. So ergießen sich kristallklare Wassermassen in den Fluss ebenso, wie dunkel bis schwarz gefärbtes Wasser, welches zu den herrlichsten Farbenspielen führt. Der Dschungel an den Ufern des Amazonas hält noch viele ungelöste Geheimnisse bereit, die auch uns Menschen durchaus von großem Nutzen sein können. Hierbei spricht man von der so genannten Dschungelapotheke.
Niemand kennt sich in dieser natürlichen Apotheke besser aus, als die Indianer der Yanomami. Wer den Dschungel und den Amazonas hautnah erleben möchte, der kann inzwischen auch seinen Urlaub hier verbringen.
Regenwaldurlaub
Das es auch anders geht, zeigen Tourismusprojekte, welche im Bereich des Amazonas geschaffen wurden und werden. Inzwischen wird hier in den Hotels ein sanfter Tourismus betrieben, der den Besuchern vorsichtig die Schönheiten des Amazonas und seines Dschungels näherbringt. Die Anbieter solcher Reisen versuchen den Besucher in kleinen Gruppen von der Wichtigkeit der Erhaltung des Dschungels, des Flusses und natürlich der Indianerstämme zu überzeugen.
Es ist ein Abenteuer, ein unvergessliches Erlebnis, den Dschungel hautnah zu erfahren. Wer so ein Erlebnis, diese Schönheit und dieses geheimnisvolle Naturerlebnis leibhaftig kennengelernt hat, der wird es auch schützen und erhalten wollen. Erzählungen, Geschichten Reportage und Filmbeiträge sind ein Weg die Menschheit vom Nutzen des Dschungels zu überzeugen. Eigenes, sanftes Erleben, ist eine weitere Möglichkeit.
Inzwischen achtet die brasilianische Regierung in besonderem Maße auf die Einhaltung bestimmter Voraussetzungen. Hotels werden im Landesinnern nicht gebaut und nur in kleinen und kleinsten Gruppen können beispielsweise Indianerstämme besucht werden. Auf diese Weise hofft man einen der größten Schätze unsere Erde zu erhalten, den Amazonas, seinen Dschungel und seine Menschen.
Die Yanomamis
Vor einigen Jahren machte der deutsche Abenteurer Rüdiger Nehberg auf die schwierige Situation der Yanomami-Indianer im Amazonasgebiet aufmerksam. Er überquerte den Atlantik mit einem Tretboot. Etwa 32000 Menschen gehören dem größten Indianstamm des Amazonasgebietes an. Erst in den 1970er Jahren drangen Weiße in die angestammten Stammesgebiete der Yanomami vor.
Steinzeit trifft auf Computer
Diese Aussage trifft auf die Situation der Indianer in erschreckendem Maße zu. Erschreckt, verängstigt, aber genauso fasziniert traten die Indianer in Kontakt mit den Weißen.
Nun sollte der moderne Mensch eigentlich aus den Fehlern seiner Vergangenheit gelernt haben. Beispielsweise aus dem ersten Kontakt der nordamerikanischen Indianer mit den Weißen und der nahezu vollständigen Ausrottung ihrer Kultur.
Es genügt nicht durch die Abholzung des Regenwaldes die Lebensgrundlage der vielen Tiere und Pflanzen zu zerstören. Die Gier der Weißen vernichtet gleichzeitig den Lebensraum der Indianer und zerstört unwiederbringlich Pflanzen, welche vielleicht die Plagen der Moderne, unheilbare Krankheiten, heilen könnten. So beraubt sich der moderne Mensch etwaiger Hilfe nur, um beispielsweise teure Tropenholzmöbel in seine überheizten Wohnungen in den Großstädten zu stellen. Menschenleben, Kultur und Traditionen, jahrtausendealte Bräuche, Lieder und Geschichten fallen den Maschinen der Holzindustrie genauso zum Opfer, wie die Bäume und Pflanzen selbst. Über die Extremsituation der Yanomami haben sich inzwischen einige Autoren Gedanken gemacht und versuchen deren Situation der westlichen Welt mit Hilfe ihrer Bücher darzustellen und näherzubringen.
Ein gutes Beispiel für diese Versuche ist das Buch “Geboren in der Steinzeit – Gestorben in der Gegenwart” von Heinz Kindlimann. ISBN 3-280-06081-8 Orell Füssli Zürich.
Von seinem Tretbootabenteuer und der Rettung der Indianer erzählt Rüdiger Nehberg in seinem Buch “Die Yanomami-Indianer” ISBN 3-492-23922-6, im Piper Verlag erschienen.
Regenwaldapotheke
In der Dunkelheit, im undurchdringlichen Dickicht des Dschungels rund um den Amazonas, gibt es tatsächlich Gegenden, welche noch nie ein Mensch betreten hat. Vielleicht gerade einmal ein Indianer. Noch immer sind längst nicht alle Tierarten und Pflanzen entdeckt, die hier ungestört wachsen und ihre geheimen Wirk- und Inhaltsstoffe bewahren. Inzwischen machen sich Wissenschaftler daran diese Geheimnisse zu erforschen und so dem Menschen nutzbar zu machen. Die Vielzahl der Pflanzen und Lebewesen, die so entdeckt werden, ist gigantisch, wie der Fluss und der Dschungel selbst. So haben Untersuchungen ergeben, dass bis zu 72 unterschiedliche Pflanzen auf einem einzigen Dschungelbaum gedeihen.
Die meisten von diesen wachsen im oberen Teil der Bäume, da nur etwa 1 Prozent des Sonnenlichts den Boden überhaupt erreichen kann. Dies erklärt auch die Namensgebung der Spanier, als sie sagten Die mordende Dunkelheit. Nicht nur die Wissenschaftler allgemein interessieren sich für diese Vielzahl an Pflanzen, auch die Pharmaindustrie ist sehr daran interessiert zu wissen, welche Schätze die Regenwaldapotheke noch bewahrt. So rechnen Wissenschaftler mit Wirkstoffen gegen Aids, Krebs und Herzkrankheiten. Es wäre mühsam und dumm alleine den Dschungel zu durchkämmen, um die entsprechenden Kräuter und Pflanzen zu finden, wenn ortskundige Führer im ganzen Dschungel zu finden sind und diesen als ihr Zu Hause bezeichnen.
Dies haben die Wissenschaftler erkannt und bedienen sich immer häufiger dem alten Wissen der Schamanen. Jeder Stamm der einheimischen Indianer hat einen oder mehrere Zauberer, wissende Männer und Frauen, die sich um die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Stammesgenossen kümmern. Seit Generationen werden die Wirkstoffe und Wirkungsweisen der einzelnen Pflanzen an die folgende Generation weitergegeben und ergänzt. In den Städten und Dörfern entlang des Amazonas findet man so genannte Kräuterfrauen, die ebenfalls viel über die Wirkung der Pflanzen wissen und weitergeben können.
Die Schamanen werden selten.
Einige wenige gibt es noch. So beispielsweise den Medizinmann Tacuma, einem der letzten Medizinmänner des Amazonasdschungels. Er hat sich bereiterklärt einem befreundeten holländischen Forscher seine Geheimnisse anzuvertrauen. Für ausländische Forscher ist es inzwischen nicht mehr so einfach die Geheimnisse des Dschungels alleine für sich und ihre geldgebende Industrie zu nutzen. Die Regierung Brasiliens hat entsprechende Gesetzte verabschiedet, die die biologischen und genetischen Ressourcen des Landes schützen. So hat auch das Land Brasilien selbst etwas von den Forschungen, welche in dem hier befindlichen Dschungel durchgeführt werden. Erste Erfolge sind inzwischen auch nachweisebar. So wurde beispielsweise aus dem Extrakt eines Baumes ein Mittel zur Behandlung von Glaukomen hergestellt, welches bestens wirkt.